Mühsam – Fischfang am Sletterstrand
In dänischen Fischereihäfen wie beispielsweise Hvide Sande legen die Fischkutter irgendwann in der Nacht ab und laufen in die Küstengewässer der Nordsee aus, um dort Fische zu fangen. Im Laufe des Vormittags kehren sie mit dem Fang des Tages in den Hafen zurück und die Fische werden noch vor Ort in Fischauktionshallen fangfrisch vermarktet.
Aber was passiert, wenn es weit und breit keinen Hafen mit Molen oder Kaianlagen gibt, an denen man anlegen und von denen aus man aus- und wieder einlaufen kann? Wie das funktioniert, sieht man am Sletterstrand in der Jammerbucht in Nordjütland. Eines vorweg: Es ist mühsam. Sehr mühsam!
Mühsam die Erste: Schleifspuren im Sand
Der Sletterstrand liegt an der Nordseeküste in der Jammerbucht zwischen Hanstholm und dem beliebten Ferienort Blokhus. Der nächste Hafen wäre in der Tat Hanstholm, circa 50 Kilometer süd-westlich. Wie also fahren die Fischer mit ihren Kuttern aufs Meer? Wer tagsüber den Sletterstrand besucht sieht, dass dort Fischkutter einfach auf dem Strand liegen. Und schnell bemerkt der aufmerksame Besucher Schleifspuren, tiefe Furchen im Sand, die zum Kiel der Kutter führen.
So kann man erahnen, was da vor Ort den Fischfang so mühsam macht. Meistens nachts zwischen Mitternacht und dem Morgengrauen werden die Fischkutter mit langen Stahltrossen, die über Umlenkrollen draußen im Wasser laufen, ins Wasser gezerrt. Eine riesige Seilwinde in einem Windenhaus am Strand zieht die Kutter durch die Brandung der Nordsee hindurch so weit ins Wasser, dass sie aufschwimmen und dann hinausfahren können. Sobald die Fischkutter nach der Brandung tiefes Wasser erreicht haben, steuern sie die Fanggründe in den Küstengewässern an und werfen die Fangnetze aus.
Wenn sie dann am Vormittag von ihrem Fischzug mit gefüllten Laderäumen zurück kehren, geht das Gezerre in umgekehrter Richtung wieder los. Die Fischkutter fahren in die Brandung, bis sie auf Grund laufen. Dann werden wieder die Stahltrossen am Bug des Kutters in eine Zugöse eingehakt und die Winde zerrt die schweren Holzkutter über den Sand, bis sie weit genug von der Brandung wie gestrandete Wale auf dem Strand liegen. Die Schiffe werden entladen und warten dann auf ihren nächsten Einsatz am nächsten Tag.
Mühsam ist es aber nicht nur, die Fischkutter ins Wasser und wieder heraus zu ziehen. Diese täglichen Rutschpartien über den kiesigen Sandstrand hinterlassen natürlich auch Spuren am hölzernen Rumpf der Kutter. Sie verschleißen dadurch schneller, als ein Schiff, das im Hafen schwimmt, einfach nur raus- und reinfährt und längst nicht solchen Belastungen ausgesetzt ist. Sie müssen also öfter repariert und aufgearbeitet werden.
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Mühsam die Zweite: Werft repariert vor Ort
Deshalb gibt es direkt am Sletterstrand eine kleine Werfthalle, deren Facharbeiter die Reparaturen direkt vor Ort vornehmen können. Ist bei einem Kutter eine entsprechende Instandsetzung fällig, wird er mit der Winde oder auch von einem großen Traktor bis direkt vor die Werfthalle gezerrt.
Die Fachleute tauschen dann durchgescheuerte Planken des Schiffsrumpfes aus, setzen die Ruderanlage instand und führen alle nötigen Reparaturen durch. Wenn man sich die Rümpfe der Kutter anschaut, sieht man bei einigen der Schiffe, dass die Planken im unteren Bereich des Rumpfes aufgedoppelt sind, um der Schleiferei durch den Sand länger standzuhalten. Es fällt außerdem auf, dass alle diese Fischkutter traditionelle Holzschiffe in Klinkerbausweise sind. Es ist kein einziges Stahlschiff zu sehen. In den Fischereihäfen sieht man dagegen viel häufiger modernere Fischkutter in Stahlbauweise.
Ein Besuch am Sletterstrand lohnt sich also immer, wenn man sehen will, auf welche ungewöhnliche Weise hier ohne einen eigenen Hafen Fischfang betrieben wird. Es gibt auch zahlreiche Infotafeln vor Ort, die über die Fischerei vor Ort aber auch die Flora und Fauna der Nordsee an der dänischen Küste informiert. Zudem werden mit manchem Fischkutter auch Touristenfahrten angeboten. Die kleineren weißen Fischerboote sind in historischem Zustand gehalten und dienen mittlerweile wohl mehr musealen Zwecken und der Brauchtumspflege, als dem voll kommerziellen Fischfang. Der erfolgt mit den größeren Kuttern vor Ort. Hier nun einige Bilder und Impressionen vom Sletterstrand.
Mühsam die Dritte: Konkurrenz aus dem Ausland
Mühsam ist also zum einen die Arbeit selbst und deren Begleitumstände. Doch es kommt ein zusätzlicher Faktor dazu, der nicht nur das Geschäft der Fischer und damit deren Lebensunterhalt erschwert und mühsamer macht. Diese Faktor gefährdet auch das Ökosystem vor Ort. Die Rede ist von der massivem Konkurrenz von großen Fischtrawlern aus dem Ausland. Vor allem aus den Niederlanden kommen große sogenannte Baumkurrentrawler. Das sind Fangschiffe, die an zwei Auslegern große Schleppnetze links und rechts neben sich herziehen und damit vor allem Schollen und andere „bodennahe“ Fische in großen Mengen fangen.
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Bei den Fangflotten aus den Nachbarländern sind die dänischen Küstengewässer als ertragreiche „dänische Goldküste“ beliebt. Allerdings räumen diese großen Fangschiffe die Fischgründe quasi leer, sodass die Fischbestände nicht nachwachsen können. Durch diese Überfischung geht auch das Ökosystem der Nordsee kaputt. Die relativ kleinen dänischen Fischkutter fangen nicht so viel Fische, als das die Bestände nicht über Jungfische nachwachsen könnten. Damit würden diese Fischbestände stabil bleiben. Doch die großen Trawler vor allem aus den Niederlanden aber auch anderen Anreinerstaaten holen eben mehr Fische aus dem Wasser, als nachwachsen können. Das dezimiert die Bestände und schädigt das Ökosystem.
Methoden am Rande der Legalität
Wie die Fachpublikation fischmagazin.de berichtet, gehen dabei vor allem die niederländischen Fischer auch mit niederträchtigen Methoden vor. Die Trawler schalten auf den Fischzügen das Automatische-Identifikations-System „AIS“ aus, um unentdeckt zu bleiben. Jedes Schiff ab einer Länge von 15 Meter muss ein AIS haben und darf dieses nicht abschalten. Das AIS sendet circa alle 30 Sekunden die internationale Schiffskennung, Standort, Kurs und Geschwindigkeit per Funksignal aus. Andere Schiffe in der Region, aber auch beispielsweise zuständige Behörden können so jederzeit sehen, wer wo und wie unterwegs ist. Wenn Du dir das selbst anschauen willst, wirst Du auf www.marinetraffic.com fündig. Hier mal zwei Screenshots von Marinetraffic von der Region Sletterstrand.
Indem die niederländischen Fischfangtrawler ihr AIS illegalerweise abschalten, sind sie „technisch unsichtbar“, sodass andere Schiffe sie erst sehen, wenn sie sie tatsächlich sehen oder sie auf dem Radar auftauchen. Aber auch entsprechende Fischfangbehörden können dann eben nicht mehr erkennen, wer da gerade wo Fische fängt. Wie das fischmagazin.de in dem Beitrag berichtet, behaupten die Kapitäne der niederländischen Trawler zwar, immer unter AIS zu fahren und leugnen, dass sie das System abschalten. Aber es ist nach dem Bericht ein offenes Geheimnis, dass AIS tatsächlich oft tagelang ausgeschaltet ist.
Ohne AIS zu fahren ist illegal, denn das System dürfte nur bei extremen Bedrohungen beispielsweise durch Piraten abgeschaltet werden, damit diese ein Schiff nicht so leicht finden. Aber in europäischen Gewässern sind definitiv keine Piraten unterwegs. Und wenn die Kapitäne ausländischer Fischtrawler ohne AIS in dänischen oder anderen fischreichen Gewässern unterwegs sind, dann hat das wohl durchschaubare Gründe. Im Artikel wird die dänische Fischfangbehörde zitiert, die das Abschalten des AIS durchaus darin begründet sieht, dass damit illegaler Fischfang verschleiert werden soll. Die dänischen Fischer berichten in dem Artikel, dass die Fangmengen bei den Schollen und Plattfischen Jahr für Jahr zurückgehen, was ein Indiz für die Überfischung durch die ausländischen Trawler sei.
Am Sletterstrand wird auf einer Infotafel auch auf diese ausländische Konkurrenz durch „Beam Trawler“ (englisch für Baumkurrentrawler) und deren Auswirkung auf Ökosystem aber eben vor allem auch den Lebensunterhalt der einheimische Fischer vor Ort hingewiesen. Auf der Tafel ist auch zu lesen, dass zu wenig dagegen getan werde.
Die Methode mit dem Anlandziehen der Kutter wird nicht nur am Sletterstrand praktiziert. Auch am Torup Strand, circa 15 Kilometer süd-westlich, wird nach der gleichen Methode gearbeitet. Nur das dort nicht eine stationäre Winde die Kutter aus dem Wasser zieht, sondern eine riesige Planierraupe.